Wie eine Künstlerin Unternehmerin wurde
- Silke Duda-Koch
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Geschrieben von Marie-Luise Eberhardt
„Ich als Unternehmerin versuche herauszufinden, was meine Mitarbeiter richtig gut können.“ - Silke Duda-Koch
Silke weiß ganz genau, an welchem Ort sie mich treffen möchte: im Restaurant Maltermeisterturm - die Aussicht genießen. Es ist Mitte September und der Kälteeinbruch samt Regen lässt uns erst an unserem Vorhaben zweifeln, schließlich steige ich aber doch in Silkes Auto und wir fahren zu einem Parkplatz unterhalb vom Maltermeister, laufen ein paar hundert Meter hinauf. Es regnet nicht mehr, aber windet ganz schön - wir hätten dickere Jacken gebrauchen können.
Mit Silke habe ich in den vorherigen Wochen öfters telefoniert oder sie kam in der WortWerkWohnung vorbei, um mit mir den Blog zu planen. Dabei haben wir schnell gemerkt, dass sich unser Tagesrhythmus unterscheidet: Silke kann als typische Lerche beschrieben werden, ist gerade in den Morgenstunden total kreativ. Ich dagegen als Eule arbeite auch gern mal bis Mitternacht. Trotzdem kamen wir immer wieder zueinander. Sie lud mich auch nach Bad Harzburg ein, wo ihre Agentur design office den Hauptsitz in einer herrlichen Villa mit Garten hat. Silke als Diplom-Designerin ist Geschäftsführerin und kreativer Kopf in einem. Sie und ihr zehnköpfiges Team gestalten die unterschiedlichsten Projekte: von Broschüren, über Ausstellungen, Websites bis hin zu Verpackungen. Schon bei der Stiftungsbroschüre, die ich zu Pfingsten zugeschickt bekam, sprach mich das Design total an: frisch, innovativ und edel.
Den Maltermeisterturm hat sich Silke als wichtigen Ort nicht nur wegen des Weitblicks ausgesucht. Denn hier traf sie sich früher oft zu Coaching-Gesprächen. Wie sie zu diesem Coaching kam, berichtet sie mir sogleich in der Ecke des Restaurants – im Hintergrund spricht ein Mann furchtbar laut, aber ich kann Silke trotzdem noch folgen. Zum Coaching sei sie „gekommen wie die Jungfrau zum Kind.“ Eine Freundin von ihr steckte damals mitten in einer Coachingausbildung und suchte Menschen, mit denen sie üben konnte. Silke hatte Lust Versuchskaninchen zu spielen und wurde von ihrer Freundin an eine andere Auszubildende verwiesen, da für die Arbeit Distanz zu der Coaching-Person von Vorteil ist. So wurde Silke deren erste Mandantin. Oft trafen sie sich zu Gesprächen hier oben im Maltermeisterturm.

Silke nutzte die Treffen, um ihre Führungsqualitäten auszubauen, schließlich hatte sie Ahnung von Innenarchitektur und Design, aber noch kein Unternehmen geführt. „Wenn du mit dir selbst gut bist, dich selbst gut kennst und dich selbst gut führen lassen kannst, kannst du auch andere gut führen.“ Beispielsweise haben sie bei so einem Coaching gemeinsam Silkes Werte sortiert, damit sie sich selbst noch besser kennenlernen und verstehen konnte. „Ist dir Gesundheit wichtiger als Geld oder Arbeit wichtiger als Freiheit, dann fängst du an zu sortieren und so habe ich z.B. gemerkt, dass Sicherheit einen großen Wert für mich hat und es eben gegen mein Sicherheitsdenken geht, z.B. einen großen Kredit zu nehmen.“
Später hat sie diese Coachings auch für ihre Mitarbeiter übernommen. So überlegen alle im Team, wo sie im nächsten Jahr beruflich gerne wären und wie das beispielsweise in fünf Jahren aussieht. Im nächsten Jahr schauen sie dann gemeinsam, was jede*r von den Zielen realisieren konnte. Das Zulassen einer Fehlerkultur ist Silke in ihrem Unternehmen besonders wichtig, schließlich macht jeder mal einen Fehler und aus diesen Situationen lernt mensch so viel, meint sie.

Teamarbeit steht bei Silke auf jeden Fall hoch im Kurs und es kommt nicht selten vor, dass bei einem neuen Projekt alle zusammen brainstormen. „Du weißt ja wie es ist, du sitzt am Rechner schmorst immer im eigenen Saft und denkst, das Bild sieht komisch aus, aber ich weiß nicht, was ich anders machen kann. Und dann musst du z.B. zu Alex gehen, dem zeigst du das, dann sagt der schon, ich hab eine Idee.“
Da wundert es nicht, dass eines von Silkes Vorbildern Tina Müller ist. Sie war die erste weibliche Marketingchefin bei Opel, später bei Douglas. „Wenn du Männer in ihrer Position siehst, siehst du auf dem Foto immer nur einen. Das Ich steht im Fokus. Bei Tina Müller ist da immer auch das Team zu sehen und die Teamleistung und das transportiert natürlich auch was. Das ist nicht die Leistung von einem, obwohl sie natürlich die Vordenkerin ist, aber es braucht immer ein Team. Das finde ich cool.“
Seit 2014 ist Silke selbst Präsidentin des Marketing-Club Harz e.V. und verbindet Führungskräfte, Selbstständige, Wissenschaftler*innen und Viele mehr, die sich für Marketing interessieren
„Wenn du eine Arbeit machst, die dir Freude bereitet – klar, das macht sie nicht jeden Tag. Manchmal machst du auch Sachen, die doof sind, aber trotzdem machst du selbst die noch relativ gern, weil du weißt, ok ich mache das für uns alle. Geld ist eben nur ein Faktor, klar willst du auch Geld verdienen, aber du willst auch Anerkennung haben, mal ein Lob, du willst auch, dass deine Kunden zufrieden sind und du selbst dazu lernst.“
Es gibt aber noch einen Grund für Silkes Ortswahl. Zu gern erinnert sie sich an viele Ausflüge mit ihrem Mann und den sieben Kindern zum Maltermeisterturm. Da gab's immer „Currywurst mit Pommes“, erzählt sie sympathisch und nahbar zugleich. Silke brachte zwei, ihr Mann fünf Kinder mit in die Ehe, die allerdings nur gelegentlich zu Besuch in Bad Harzburg waren. Anders als Silkes zwei Söhne Carl und Moritz, die mit den beiden in Bad Harzburg zu Hause lebten. Dank Silkes Erzählung kann ich mir das Treiben „wie auf dem Campingplatz“ bildhaft vorstellen, wenn alle sieben Kinder es sich häuslich machten. „Immer war was los.“

Silke ist übrigens 1965 in Wernigerode geboren und aufgewachsen.
Ihre Eltern waren beide selbstständig, was in der DDR nicht gern gesehen wurde. Aber die Beiden machten sich wenig daraus und scherzten eher darüber, wenn ein Spitzel im Trabi vor der Tür stand. Wie an dem Tag, als ihr Vater eine ganze Studierendengruppe US-Amerikaner*innen dazu brachte, die Familie in Wernigerode zu besuchen. Er verkaufte wie jedes Jahr Zuckerwatte auf dem Weimarer Zwiebelmarkt und unterhielt sich mit dem US-amerikanischen Dozenten, der deutsch sprach. „Er hat die überzeugt, dass sie unbedingt Wernigerode sehen müssten und dann sind sie tatsächlich alle nach Wernigerode gekommen und saßen bei uns in der Veranda und meine Eltern haben sie bewirtet.“ Mittlerweile, nachdem sie verschiedene Bücher über Schicksale von DDR-Bürger*innen gelesen hat, habe sie realisiert, wie blauäugig sie und ihre Eltern mit solchen und anderen Aktionen gewesen waren. „Da hatten wir ganz schönes Glück gehabt, jetzt weiß ich wie gefährlich das teilweise war.“
Silke erzählt mir viel über ihre prägende Studien- und Berlinzeit. Sie hat Design an der Burg Giebichenstein in Halle an der Saale studiert. „Dann habe ich auch mal ein halbes Jahr in der Mode studiert, Arbeitsmode entworfen und ein Semester Natur- und Aktstudium bei den Künstlern. Eigentlich wollte ich Künstlerin werden.“

Wie auch in der heutigen Zeit waren die Aufnahmeprüfungen für die Bildenden Künste richtig hart. Silke bewarb sich dreimal für Malerei an der Kunsthochschule Weißensee in Berlin, welche pro Jahr nur zwei Personen zum Studium zuließ. Im letzten Bewerbungsjahr hatte Silke sich noch an der Berliner Fachschule für Kunst- und Design, in Leipzig an der Hochschule für Buchkunst und in Halle für Design beworben. Sie wurde zu den Auswahlrunden eingeladen, wo wie in Weißensee von hunderten Bewerbenden 30 bis 40 eingeladen wurden und jeden Tag zehn davon gehen mussten. In Halle dauerten die Auswahlrunden sechs Tage, nach vier Tagen war sie immer noch drin. „Und dann haben die gesagt, sie können den Studienplatz haben, aber müssen jetzt unterschreiben.“ Keine leichte Entscheidung, schließlich hatte Silke von den anderen Hochschulen noch nichts gehört und wusste nicht, ob sie noch eine andere Zusage bekommen sollte. Sie unterschrieb. Wenig später bekam sie von der von ihr favorisierten Kunsthochschule Weißensee eine Zusage, die sie sich bis heute aufbewahrt hat. „Ich habe die Zusage bekommen, aber es wäre nochmal eine sechs-monatige Probezeit gewesen, die haben nicht Zweien zugesagt, sondern Vieren. Und dann hätten sie nach sechs Monaten nochmal zwei nach Hause geschickt.“ Aber Silke wäre nicht Silke, wenn sie nun deprimiert den Kopf in das Pflaster von Burg Giebichenstein gesteckt hätte. „Halle war schon cool. Wir waren ja sehr frei innerhalb der Burg, konnten überall mitmachen.“
Dann zog es Silke aber bereits im Diplomjahr nach Berlin. Inspiriert von dem Buch Alexander Mitscherlichs „Die Unwirtlichkeit der Städte“, in welchem es um die nicht mehr existierende Stadtgesellschaft geht, richtete sie als Praxisaufgabe die Galerie im Designhaus in Berlin als multifunktional nutzbaren Raum ein. In der Theorie beschäftigte sie sich mit ökologischem Stadtumbau und wurde dabei von ihrem Dozenten Professor Dr. Peter Lucker unterstützt. „Übrigens ein spannender Mann, großer Denker, hat mir viel beigebracht, vor allem alles in Frage zu stellen. Er hat sich schon zu DDR Zeiten mit Umweltschutz, Ökologie und gesellschaftlichen Entwicklungen und Veränderungen beschäftigt“, schreibt Silke mir in einer Mail, als ich ihr nochmal Fragen zu unserem Gespräch stelle. Das Grundstudium, also die ersten drei Jahre, folgte „fast komplett der Bauhaus Idee“ meint Silke noch.
Übrigens fällt Silkes Diplomzeit genau in die Wendezeit. In Berlin-Friedrichshain lebt sie in einem fünfstöckigen Designhaus mit anderen Studierenden, Künstler*innen, Designer*innen und Architekt*innen zusammen, heute würde es als interdisziplinärer Coworking-Space benannt. Nach ihrem Diplom-Abschluss 1990 arbeitete Silke bei Stattbau GmbH in Kreuzberg und schob einige ökologische Sanierungsprojekte samt Hinterhof- und Dachbegrünung beispielsweise in den besetzten Häusern an. Es galt auch auf so manchen extravaganten Wunsch einzugehen, wie einen kleinen Durchbruch vom Bad in die Küche, damit die Mitbewohner*innen beim Baden noch munter mit den Leuten in der Gemeinschaftsküche reden konnten. Nach Stadtbau wechselte Silke zu einer Firma in Berlin-Moabit, die Optiker und Juweliere einrichtet. 1993 gründet sie bereits design office – das Unternehmen feiert in diesem Jahr 30jähriges Jubiläum.
Diese Zeit war natürlich auch stark von der Revolutionsbewegung 1989/90 und der Wende geprägt. Silke und ihre Mitbewohner*innen waren auch bei den runden Tischen dabei.
„Es war eine riesige Chance, die sich da aufgetan hatte, etwas Neues auszuprobieren, aber die Mehrheit der Leute wollten dann einfach das Westgeld und dann gab es eigentlich keine Alternative mehr.“
Als nach dem 09. November klar war, dass die Berliner Grenze in beide Richtungen passiert werden konnte, ging sie mit ihren Mitbewohner*innen natürlich auch mal nach Westberlin. Für Silke war es allerdings nicht das erste Mal in Westdeutschland.
1988 war Silke zum 70. Geburtstag ihrer Großmutter im Westen. „Da habe ich schon überlegt, wo die Reise wohl hingeht. Ich war im vierten Studienjahr, hatte also keinen Abschluss. Ich war zwar ausgebildete Setzerin, hatte diesen Facharbeiter und hätte arbeiten können. Ich habe überlegt und überlegt und entschieden, das macht so keinen Sinn im Westen zu bleiben. Ja, und kurz als ich zurück war, ging die Grenze auf und ich habe gedacht: Halleluja, alles ist gut gelaufen. Es war immer anstrengend und immer grenzwertig. Wenn ich heute durchs Eckertal fahre, bin ich immer froh und denke mir: bitte nie mehr sowas Totalitäres, ich will das nicht mehr.
Insofern war die Wende für mich das größte Glück überhaupt.“
Interessant findet Silke aber auch ihre Beobachtung, dass sie „den Westen“ damals beim Besuch ihrer Großmutter gar nicht so toll gefunden hat. „Wir sind einkaufen gegangen und da habe ich gedacht, das ist von allem viel zu viel. Weil wir waren ja was anderes gewöhnt und wir waren auch gewöhnt nachzudenken und ich dachte mir damals, so wie das hier ist, stimmt das auch nicht.“ So hat sie sich beispielsweise mit der Publikation zum Ende des Wachstums vom Club of Rome beschäftigt. Wir unterhalten uns noch weiter über Silkes Stasi-Akteneinsicht, wie die Menschen des Verwaltungsapparates noch munter weiter Akten geschwärzt und vernichtet haben und viele Posten auch nach 1990 gleich besetzt blieben: „Das ist ja das Verrückte, du kannst nicht den ganzen Staatsapparat austauschen.“

In Silkes Erzählungen kommen immer wieder Bücher vor, die sie inspiriert und langfristig beschäftigt haben. Lesen gehört auch nach wie vor zu einer ihrer Leidenschaften.Fachliteratur liest sie gern am Wochenende, in der Woche so „richtige Schmöker“. Wenn sie früher mit ihrem Sohn Carl in die Bibliothek gegangen ist und die Bibliothekarin ihn fragte, für welche Bücher er sich interessierte, hat er immer gesagt „ich interessiere mich für Fantasyromane und die müssen dick sein.“, erzählt Silke lachend. Und sie selbst teilt diese Vorliebe. „Wenn du beispielsweise abends nach der Arbeit nicht mehr denken möchtest, lese ich das total gern.“
Sie erzählt mir aber auch von einem anderen Buch, was sie gerade begonnen hat: Wenn Gott würfelt oder wie der Zufall unser Leben bestimmt von Leonard Mlodinow. Der Autor beschäftigt sich mit dem Prinzip Zufall, weniger philosophisch als mathematisch mit Zufallsforschung, Wahrscheinlichkeitslehre und Statistik.
Durch den Buchtitel kommen wir auch einem anderen Thema näher, dem Glauben. Aber wir laufen gedanklich erstmal den Harzer Klosterwanderweg mit ihren Söhnen entlang und biegen dann ab auf den Camino del Norte: den alternativen Jakobsweg quer durch Spanien an der Atlantikküste entlang, der zwar beschwerlicher als die „Pilgerautobahn“ sei, aber dafür auch schöner, meint Silke. Sechs Jahre ist sie Etappen des Weges mit einer Freundin gelaufen - immer wieder an den Endpunkt der letzten Etappe geflogen und bis zum Kap Finesterre weitergelaufen.
Jedes Jahr wurde der Rucksack leichter: „Im ersten Jahr sind wir mit sieben Kilo losgelaufen und im letzten habe ich gedacht: häh, 4,5 Kilo, aber ich habe alles! Es wurde immer weniger und immer kleiner, weil wir genau wussten, was wir brauchen und was nicht. Damit musst du ja 300 Kilometer laufen, da überlegst du dir genau, brauche ich noch ein Paar Schuhe, brauche ich vier Paar Socken? Brauchst du alles nicht. Das hat mir so eine Form von Leichtigkeit gegeben. Und ein Gefühl, dass man eigentlich vor nichts mehr Angst hat.“
Seit dem Wandern hat Silke auch ein Spruch von der Theologin Margot Käßmann begleitet.
„Man kann nie tiefer fallen, als in Gottes Hand.“
Das ist so ein Spruch, der mich heute noch begleitet.“ Beim Wandern hatte Silke natürlich auch so einige Gedanken im Gepäck, Themen mit denen sie sich beschäftigen wollte. Sie beschreibt es wie einen Stein, den sie genommen hat, lief und lief und schließlich wieder ablegte. „Dann ist es weg und du spürst, es ist wirklich weg, du spürst keinen Groll oder sowas.“
Natürlich dürfen auch so einige Abenteuer bei einer Reise zu Fuß nicht fehlen. Da wäre beispielsweise die Speisekarte auf spanisch, die weder Silke noch ihre Freundin verstehen konnten. „Wir haben uns auf dem Weg, das Härteste waren 45 Kilometer an einem Tag, ganz genau vorgestellt, was wir abends essen wollten. Dann saßen wir da mit den Speisekarten und konnten nichts lesen. Dann hat Anke gesagt: du Silke wir machen das jetzt so - es gab noch keine Handy-App - ich geh mit dem Finger hoch und runter und du sagst stopp und wir bestellen drei Sachen. Der Tisch war immer voll mit irgendwelchen Sachen, aber dann hast du dir gemerkt, was du auf jeden Fall essen wolltest und was nicht.“ Silke erzählt knallvergnügt weiter von den menschlichen Begegnungen der Reisen. Wie sie sich verliefen und ringsherum keine Menschenseele zu sehen war, aber plötzlich tauchte ein Mann mit seinem „alten Klappermoped“ auf und fragte die beiden, wo sie denn hin müssten. Viele Bilder hat sie in der Zeit gemalt und Tagebuch geschrieben. „Ich wollte immer nochmal ein Buch daraus machen. Irgendwann ja. Aber da bräuchte ich mal ein Literaturstipendium.“, fügt sie schmunzelnd hinzu.

So kommen wir natürlich auf das Novum Opus Stipendium zu sprechen und die Stiftung Neuwerk Maria in horto. Mit Dr. Heidi Johanna Roch hatte Silke damals bereits noch zu Zeiten des Odeon-Theaters zusammengearbeitet. Heidi war es dann auch, die Pfarrer Werner Böse von Silke erzählte und dieser sprach die Diplom-Designerin selbstredend gleich an. So übernahm Silke Öffentlichkeitsarbeit und das Marketing der Stiftung. Zuerst stand die Wahrnehmung von Neuwerk im Fokus und damit letztendlich die Rettung des Gebäudes, denn der Verkauf des ehemaligen Klosters drohte. Silke hat sich später im Prozess der Entwicklung des Literaturstipendiums für den besonderen Namen WortWerker*in stark gemacht, wie ich finde eine markante Wortschöpfung, die viel Freiraum lässt.
Aber zurück zum Glauben, den Silke gern universell nicht an eine Kirchgemeinschaft gebunden beschreibt.
„Mit jemanden, der glaubt, kann man gut sein.“
Das Zusammenleben mit solch einer Glaubensgemeinschaft kann sie sich für ihre Zukunft jedenfalls vorstellen. „Ich habe gedacht, wenn ich so richtig alt bin, aber noch gesund, dann könnte ich mir vorstellen mit allen anderen zusammen in Neuwerk zu wohnen und Hausaufgabenhilfe oder Kinderbetreuung zu machen. Oder auch ein kleines Café. Ich kann gar nicht backen, aber ich könnte den Kuchen gut verkaufen. Das könnte ich mir vorstellen, ja. Ob man dazu nun Nonne sein muss oder einfach eine Konventualin. Vielleicht reicht es ja einfach gläubig zu sein. Ich kann mir aber auch gut vorstellen, an der Küste zu leben und Bilder zu malen oder beides. Das Eine im Sommer, das andere im Winter.“ Der Maltermeisterturm versetze sie sogleich in einen Denkflow.
Da Silke selbst bei ihrer Arbeit viel am Rechner sitzt und design office zum Beispiel auch Websites gestaltet, frage ich sie als Fachfrau nach ihrer Meinung, ob das Leben in Zukunft immer mehr und mehr online stattfinden wird. „Ich habe heute erst einen Artikel gelesen in der Vogue Online (lacht), dass die ganzen Großen, ob das Zara oder H&M sind, wieder dazu übergehen den Offlinehandel zu befeuern. Auch im Bezug auf Nachhaltigkeit, denn der Onlinehandel ist überhaupt nicht nachhaltig. Also ich glaube sie verstecken sich hinter der Nachhaltigkeit, weil sie gemerkt haben, dass es nicht wirtschaftlich ist. Dieser Onlinehandel kostet die Unternehmen einfach ein Haufen Geld. Die Sachen kommen zurück, die können nicht mehr benutzt werden, werden sofort recycelt beziehungsweise weggeschmissen.“ Was Kommunikation betrifft, fällt Silke die Antwort nicht ganz so einfach. Sie beschreibt, dass immer mehr Menschen sich ja beispielsweise offline Auszeiten gönnen.
„Wir können ja auch nur eine gewisse Menge Informationen verarbeiten und Informationen heute sind so redundant, dass du viel mehr selektieren musst.“
Außerdem meint sie, dass das analoge, persönliche, beispielsweise gedruckte Broschüren, wiederkommt. Auch bei einem neuen Projekt, wo es thematisch um die Zukunftsstrategie Wasserstoff geht, wird es eine Broschüre geben. „Das kannst du nicht online lesen, da musst du drin blättern können, vielleicht kleine Bemerkungen dran schreiben.“
Ihre Freizeit verbringt Silke jedenfalls ganz analog, weit weg vom PC oder Handy. Seit ihrer Kindheit spielt sie Tennis. Der Sport ist ihr Ausgleich und das Thema Arbeit unter den Mitspielerinnen ein Tabu. Silke war sogar schon Vize-DDR-Meisterin im Doppel. Sie liebt es in Bewegung zu sein. „Manchmal möchte ich auch ins Bett und lesen, aber ansonsten ist es schon gut, unterwegs zu sein.“ Damit meint sie nicht nur das Wandern, sondern zum Beispiel auch einen Wochenendtrip nach Hamburg, Weimar oder ans Meer. Für Kunst habe sie nicht genug Zeit, meint Silke. Im Garten von design office in Bad Harzburg steht aber zum Beispiel auch eine Steinskulptur, die sie gemacht hat.
Was sie an sich mag, möchte ich noch wissen. Sie könne gut improvisieren, aus allem, was sie vorfindet, etwas machen. Auf diese Eigenschaft ist sie erst kürzlich von ihrem Sohn Carl, der Koch ist, hingewiesen worden: „Mutter das habe ich von dir.“
Schwuppdiwupp vergingen zwei, drei Stunden. Beim Blick auf die Uhr verlassen wir das Restaurant Maltermeisterturm, natürlich nicht ohne draußen nochmal die Aussicht auf Goslar und Umgebung zu genießen.
