The boy is back in town

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Geschrieben von Hank Zerbolesch

19.10.2025

Zurück aus dem Exil. Und ich sag mal so: Der Musiker bei mir vor dem Fenster, der mit der Gitarre und dem Mikro, also das wär wirklich nicht nötig gewesen. Aber als Künstler nimmt man was man kriegt, und hier ist das eben ein Musiker mit einer Stimme die klingt, als hätt er sie die Nacht zuvor in meinem Jack Daniels eingelegt. Find ich super, nehm ich, danke.

Kalt ist es geworden. Sowohl in der Stadt als auch in der Wohnung. Als ich aus dem Auto steige, denke ich: nicht mehr lange, und ich kann meinen Atem sehen – vier Stunden später kann ich meinen Atem sehen. Aber erstmal: Hallo, ich bin wieder da. Und auf dem Weg hierher hab ich schon gedacht, dass ich jetzt aber reinhauen muss, Gas geben muss, einen Zahn zulegen muss, weil ich weiß nicht, ob ihr das mitbekommen habt, aber die Hälfte meiner Zeit hier ist vorbei. Vorüber. Abgelaufen. Dabei hab ich noch so viel vor!

Morgen fang ich an, dachte ich gestern, brachte meinen Krempel in die Wohnung und ging erstmal einkaufen. Bisschen dies, bisschen das, Kippen Bier und Bio-Ingwer, denn wo Kälte ist, da sind sie nicht weit, die Hustenden und Schniefenden. Die hart virulenten und die mit den schwachen Immunsystemen. Die, die zuerst gerettet werden, wenn das Schiff sinkt. Und tatsächlich: schon auf dem Weg zum Supermarkt schnieften mir die ersten Erwachsenen entgegen und husteten zwei Dutzend Kinder ungeniert in der Öffentlichkeit herum. Was ist nur los mit euch Eltern? Sperrt sie weg, eure infektiösen Kinder!

Ich hab das an anderer Stelle schonmal erwähnt, aber weil manche Dinge einfach einen gewissen Nachdruck brauchen, hier noch einmal: Ich hasse alles, was nicht Sommer ist. Frühling, Herbst, Winter, alles eine Suppe. Und immer fängt es mit der falschen Kleidung an. Zu warm, Schweiß, krank. Zu kalt, Zug, krank. Zu dunkel, Auto, tot. Darum war ich gestern Abend auch beinahe zu spät zur großen Licht- und Klanginstallation am Zwinger – weil ich nicht wusste, was ich anziehen soll, oder vielmehr muss. (Dicker Pulli + dünne Jacke = zu kalt. Dünner Pulli + dicke Jacke = zu warm.)

Jetzt war ich aber doch irgendwann am Zwinger, halbwegs pünktlich – und dann aber auch schnell wieder weg, aus diversen Gründen. Einer davon war, dass inzwischen selbst die Kombination dicker Pulli und dicke Jacke zu kalt geworden war, wie gesagt: „vier Stunden später kann ich meinen Atem sehen.“ Und weil sich der Weg vom Zwinger bis zum Kloster Neuwerk aber zieht (besonders bei 20 Grad unter Null und zugigen Gassen), legte ich einen kurzen Halt im Papperla-Pub ein. Zweck des Zwischenstopps: innere und äußere Erwärmung. Und wen treffe ich hier? Wer sitzt da am Tresen? Auf meinem Platz sogar? Der Musiker, den ihr mir ein paar Stunden zuvor unter mein Fenster gestellt habt. Als Dank hätte ich ihm mindestens einen Schnaps ausgeben müssen – hab ich aber nicht. Aber das war kein Akt der Unhöflichkeit, ich war nur schon so durchgefroren, dass ich nicht mehr klar denken konnte. Und sagen wir mal so: besser wurde das nicht mehr. Eher schlechter. Denn das Letzte, an das ich mich erinnere, ist, wie ich den Mann hinter der Theke erst frage, wo denn die Chefin sei heute, und dann, was der stärkste Schnaps ist, den er hat. Der Rest ist nicht Sommer.