Mein Nachbar

Jede Stadt hat ihre Gesichter und jede Stadt wird auch von Menschen bewohnt, die gern übersehen werden, weil sie nicht zum Vorzeigebild passen, weil sie uns mit Fragen zurück lassen.

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Geschrieben von Marie-Luise Eberhardt

Mein Nachbar

 


Mein Nachbar schläft auf den Pflastersteinen

unter der Loggia nebenan, vom Achtermann.

Mein Nachbar sitzt schon an der Ecke,

wenn ich das Fenster morgens öffne.

 


Mein Nachbar sitzt dort fast pausenlos,

spricht mit Menschen, manche setzen sich dazu.

Mein Nachbar holt sich Abendbrot,

kommt wieder mit Pizza oder Asia Food.

 


Mein Nachbar sitzt auch noch im Dunkeln da –

die Zigarette glüht sichtbar dann und wann.

Mein Nachbar trägt kurze Hosen und keine Schuh,

schläft im Schlafsack mal lang, mal ohne Ruh.

 


Heute ist er nicht nach Haus gekommen.

Ich frage mich, wo er wohl ist.

Ob er nun eine Bleibe hat gefunden

und ob ich ihn beim nächsten Mal wohl fragen kann,

wer er ist

und ob er etwas Warmes mag zu trinken?

 


Mein Nachbar war schon vor mir da und wird auch

nach mir sein.

 

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