Musik und Wort zum Advent

Seit meiner ersten Woche im August haben wir so einige Mittwochabende mit Snacks und Weinchen nach der Probe zusammen verbracht: der Goslarer Madrigalkreis und ich. Ute fragte mich schon bald, ob ich nicht ihr Adventskonzert mit Wortbeiträgen untermalen wolle.

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Geschrieben von Marie-Luise Eberhardt

Am siebten Dezember war es nun soweit, wir feierten einen leuchtenden Abend mit Musik und Wort. Die Wortwerke des Abends sind außer "Advent, Advent" und "Stille" als Reaktion auf die ausgewählten Musikstücke entstanden.

 

Der Abend begann mit Im Dunkel unsrer Nacht von J. Berthier, Frère Wolfgang als Wechselspiel mit einer Strophe des Liedes und lyrischen Gedanken von mir, mit dem Summen des Madrigalkreises untermalt.

 

 

 

I

Nachts

In der Wüste ist es dunkel

oder auf der hohen See

dort wo keine Menschen sind

und das Straßenlicht fehlt

Du bist verknotet in so viel Leid,

so viel Leid,

siehst auf den Boden

bist bereit,

bereit für das Feuer

das Feuer in dir,

die Wärme zum Leben,

sie ist nah bei dir.

 

II

Fire, fire I can see

it at the horizon

the forest is burning,

dead wood is burning

the answer of the nature?

Or human evilness?

 

Hundret of years ago

they burned humans

they call them witches

why?

An other time

they burned the chirches and convents

around the town

that the enemies will not take the ground

after the fire

always comes up the light

 

III

Das Feuer brennt,

brennt weiter in dir.

Wärmt dich von außen und innen.

Wie hell ist es hier.

Das Licht,

brennt für dich,

zeigt dir den Weg,

-deinen Weg.

Ist er grell erleuchtet?

Dann warte ein wenig und

nimm dich in Acht vor den Flammen.

Denn auch im Dunkeln kannst du

wandeln.

Ich weiß:

Du bist bei mir.

 

Wortimpression

-nach Magi viderunt Stella von Tomás Luis de Victoria

Wer würde heute dem Stern folgen? Könnten wir ihn überhaupt sehen? Bei all dem Licht der Straßenlaternen und Werbetafeln, bei all der Hektik, bei all den Problemen von Inflation, Kriegen in der Ukraine, Syrien, Somalia und anderswo. Revolutionen wie im Iran, wo die Religion scheinheilig als Grund missbraucht wird, diese Freiheitsbewegung niederzuschlagen. Gewalt gegen Frauen, Trans- Homosexuelle, People of Colour, Gewalt gegen Gläubige und Kinder. Umweltkatastrophen, Klimawandel, medizinischer Versorgungsnotstand und fehlende Kommunikation. So viel ist im Argen. So viel scheint zu brennen. Könnten wir ihn sehen, den Stern? Wer blickt überhaupt noch nach oben, geht vom gewohnten Wege ab. Und wer glaubt noch an Wunder?

Vor ein paar Wochen wurde ich von einer lieben Bekannten gefragt:

Hast du ein Wunder erlebt?

So direkt ist mir kein großes Wunder eingefallen. Aber kleine Momente, die mich nach oben blicken, die mich im Innern befrieden, mich verwundern lassen. Vorgestern die Schneeflocken, die mir ins Gesicht geflogen sind oder die Eiskristalle letztens auf einer Wanderung. Zu herrlich um wahr zu sein? Da fällt mir das Glatteis ein, durch das wir beinahe mal einen schlimmen Unfall auf der Autobahn gehabt hätten. Aber wir kamen zum Stehen mit geeinten Kräften, mein Vater hat mit mir das Lenkrad gehalten. Ein Wunder. Etwas Außergewöhnliches. Auch ein Vogel hat schon für meine Schwiegermutter und mich gesungen, nicht einfach so gezwitschert, nein er hat wirklich den Koran mitgesungen. Ein Wunder. Wie Novum Opus für mich.

Welche Wunder sind Euch, sind Ihnen begegnet?

 

Hosianna

- nach Hosianna dem Sohn Davids von Michael Altenburg

Jedes Jahr, Hosianna! Hosianna!

Jedes Jahr dieselbe Geschichte.

Dieselben Lieder.

Jedes Jahr derselbe Schmuck,

derselbe Ablauf?

Derselbe Kommerz.

Brauche ich das?

Sie sieht in den Nebel draußen. Düster sieht es aus, dabei ist es nicht mal halb vier. Da entdeckt sie einen Stern, er leuchtet. Wurde an dem Haus gegenüber angebracht. Weihnachtsdeko. Ein Licht. Dagegen hat sie ja nun auch wieder nichts.

Eine Geburt ist ja auch so ein Licht, etwas zum Feiern, Hoffen, eine Überraschung. Wer kommt da, wer kommt da eigentlich? Als Gebärende, als Eltern, als Verwandte und Umfeld - weißt du nicht, wer dich erwartet. Wie viel Erwartung liegt auf diesem Kind?

Der Heiland. Der Erlöser. Von Gott gesandt. Der, der die Menschheit bewegt, rettet.

Hatte er wohl Zweifel? Als Kind oder Jugendlicher? Zweifel an seiner Aufgabe in dieser Welt?

Darüber hatte sie noch nie nachgedacht. Jedes Neugeborene verbreitet schließlich Freude - klar gibt es Ausnahmen, aber sie kannte jedenfalls in ihrem Umfeld keine Person, die sich nicht freuen würde. Und Jesus war nun noch dazu von Gott gesandt. Sie dachte weiter so vor sich hin und ihr Blick blieb auf der Kerze haften, die auf ihrem Tisch stand. Sie starrte in die Flamme.

Plötzlich stand sie am Lagerfeuer beim Krippenspiel, über ihr der klare Winterhimmel, Sterne waren zu sehen, neben ihr ihre Familie. Sie hörte die Worte von Maria und Josef, den Engelschor. Wie jedes Jahr, dachte sie. So, wie sie selbst einst vorne stand als Konfirmandin. Das Licht ging um. Die Kerze der Nachbarin zündete ihre an und sie gab das Feuer an ihre Mutter weiter, die an ihren Vater. Und da kam es ihr das Weihnachtsgefühl. Ein Lächeln über ihren Lippen.

Friede - es ist Weihnachtszeit.

Kriege wurden schon unterbrochen wegen diesem Gefühl, diesem Fest. Der Geburt Jesu. Warum kann uns dieses Gefühl nicht bei jeder Geburt ereilen, uns daran erinnern, dass wir alle Menschen sind, alle mit der Hoffnung geboren wurden, der Welt Freude zu bringen?

Sie ist wieder in ihrer kleinen Wohnung am Tisch, blickt weiter in die Kerze und erinnert sich nun an ihre Kindheit. Wie aufgeregt die Adventszeit doch war und Weihnachten erst. Sie hört das Klingen der Glöckchen, wenn sie am Weihnachtsabend mit ihrer Schwester ins Wohnzimmer kommen durfte und den herrlichen Baum mit Strohsternen, Holztieren, Süßigkeiten, echten Kerzen und allerlei mehr sehen konnte. Und natürlich die Geschenke. Ja, die waren damals wohl das Aufregendste. Aber an was erinnert sie sich heute besonders gern? An das Backen in der Adventszeit, das Singen von Liedern, die Kassette mit den Geschichten von Hirsch Heinrich und dem Nikolaus, der nicht in die Stadt gelassen wurde. Die Geschenke waren im Nachhinein doch gar nicht so wichtig gewesen, dachte sie. Damals hätte sie aber das feierliche Abendessen mit Kartoffelsalat und Würstchen gern übersprungen. Das Warten auf die Geschenke und die merkwürdige Enttäuschung, wenn der Sack nach vielen tollen Überraschungen leer war. Ja, der Blick verändert sich. Wie würde sie sich heute über Zeit freuen und diese kindliche Begeisterung, einfach Freude strahlen. Das Telefon klingelt und sie drückt auf antworten.

Später schaut sie in den Briefkasten. Sie findet wie immer die Zeitung darin und einen Brief.

Sieht nicht nach Rechnung aus. Nein, von Erika. Sofort denkt sie an diesen herzlichen Abend mit Erika und ihrem Mann, den Abenteuergeschichten und dem ehrlichen Engagement der beiden.

Eigentlich hat sie es furchtbar eilig. Aber den Brief will sie unbedingt noch öffnen. Sie beginnt zu lächeln, ja zu strahlen.

Ein Winterwald und diese helle Sonne bescheint den Schnee mit viel Zuversicht, wie wunderschön – ein Lichtblick. Da ist es - das Weihnachtsgefühl.

Gerührt steckt sie die Karte ein und liest später die erheiternden Worte.

Ein wahrer Adventsgruß, denkt sie.

Hosianna. Hosianna.

Jedes Jahr derselbe Kommerz, derselbe Schmuck. Jedes Jahr dieselbe Geschichte, die den Blick aber auf das Wesentliche lenkt. Jedes Jahr ein anderes Zeichen, ein weiterer Lichtblick.

Blicklicht. Ja, ich brauche dich.

Hosianna!

Hosianna!

 

 

Wortimpression

-nach O Heiland, reiß die Himmel auf von Jósef Swider

Wo bist du? Fragen ich und du und sie,

wenn Unrecht hier auf Erden geschieht.

Wo bist du? Fragen ich und du und sie,

wenn das Leid deutlich bis zum Himmel riecht.

Wo bist du? Fragen ich und du und sie,

wenn alles dunkel scheint und du so fern.

 


Du bist.

Zeigst dich dann und wann

auf unbekannten Wegen.

Und wir vergessen

dann und wann

dir dafür dankbar zu sein.

 

Stille

 


abgeschirmt von der Welt

Ruhe zum Ankommen,

zum Lauschen,

zum Sein, einfach so

-

kaum aushaltbar

und dann so mein.

 

Vom Engel

 


Mürrisch guckt er, der Engel,

über dem Eingang der Kapelle im

Heiligen Kreuz, dem Großen.


Ist mir gleich ins Aug gesprungen,

schlicht und doch so ausdrucksstark -

blaugrau gezeichnet.

 


Was er wohl so denken mag?

Und gesehen hat, all die Jahr.

Von Kaisermahl bis zu den Alten, Armen, Waisen,

die zum Beten kamen und in diesen Räumlichkeiten

zusammen Fürsorge erfahren haben.

 

Wieder kam ich,

setzte mich, sah ihn an und

fragte mich,

warum er nach draußen sieht.

Unaufhörlich. Wartend.

 

Advent, Advent

-nach Ave Maris Stella von Edvard Grieg

 

Kurz in die Kirche wollte ich. Kurz innehalten, mich bedanken. Eine Kerze anzünden.

 

Meine Zeit in Goslar neigt sich dem Ende zu und ich werde nachdenklich, ja die Melancholie ist zu Besuch.

Es fühlt sich doch schon nach Zuhause an - meine Klosterwohnung mit dem Neuwerkblick.

In Gedanken all die Gesichter, teilweise schon wie vertraut - unsere Erlebnisse, Gespräche,

die strahlenden Augen, das lachende Gesicht, der fragende Blick,

Goslar und ich.

Mich begrüßen Adventskranz, bekannte Menschen und Orgelmusik.

Tochter Zion.

Die Krippe wird liebevoll aufgebaut - mit echten Fichten, Stroh und Sternen,

die leuchten. Wie wunderlich.

Wo sind Maria, Ochs und Esel - das Jesuskind?

 


Mir ist so feierlich. Ich sitze, lausche und schaue auf den Stern am Boden,

erfahre den Advent.

Habe dieses Gefühl vermisst.

Neuwerk erstrahlt in neuem Licht.

Novum Opus.

Sie kommen - nach und nach jeden Sonntag - zur Krippe kommen sie.

Kurz?

Gott sei Dank nicht.

 

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