Die fröhliche Seele

- Jutta Schober

Die Hortensien und Hortensen, die Nachfahren der Nonnen und Stiftsdamen des Kloster Neuwerks: sie alle möchte ich hier vorstellen, porträtieren, nicht nur weil sie es verdienen und das Stipendium Novum Opus überhaupt möglich gemacht und erweckt haben. Auch weil sie Menschen sind, die Goslar alle auf ihre Weise prägen und von denen es viel zu erfahren gibt. Heute Jutta Schober, die Schulleiterin der Realschule Goldene Aue.

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Geschrieben von Marie-Luise Eberhardt

„Ein fröhliches Herz macht Vieles leichter“ - Jutta Schober

Auf das Gespräch mit Jutta bin ich äußerst gespannt, weil ich noch nicht so viel über sie weiß. Was ich bereits weiß, ist, dass sie seit mehr als zwanzig Jahren Direktorin der Realschule Goldene Aue ist. Eigentlich hätten wir uns auch in der Schule treffen können, denn ihr Beruf macht einen großen Teil ihres Lebens aus, also viel mehr Berufung als Beruf. Ich war aber tatsächlich auch schon einige Male zu Besuch in der Goldenen Aue, wo ich mit Lehrerin Nora Tschök und ihrer Radio-AG zusammen gearbeitet habe.

Jutta und ich treffen uns daher Ende November am Marktplatz zwischen dem Restaurant Schiefer und dem Café am Markt. Sie erzählt mir, dass sie hier bei ihrem ersten Goslar-Besuch mit ihrem Mann stand, auf den Marktplatz samt Rathaus, Kirche und Fachwerkkulisse blickte und dachte, was das für eine schöne Stadt sei, in der es sich bestimmt gut leben lasse. Gerade ist der Blick nicht ganz so frei, wie damals, denn der Weihnachtsmarkt ist schon im vollen Gange. Zum Gespräch ziehen wir uns daher nach einem kurzen Gang um die Buden lieber ins Restaurant Schiefer zurück.

Jutta verrät mir, dass sie etwas aufgeregt ist, wegen des Interviews, aber auch gespannt, was für Fragen kommen werden. Diese Aufregung ist ihr gar nicht anzumerken, die Zeit vergeht im Fluge und wir erzählen munter über eine Stunde lang.

Gebürtig kommt Jutta aus dem Emsland, genauer aus der Kleinstadt Lingen an der holländischen Grenze. Sie verweist auf das Kleinstädtische auch daher, weil sie dadurch mit den Strukturen einer Kleinstadt bereits vertraut war, als sie nach Goslar kam. „Zum Beispiel Alteingesessene Lingener, alteingesessene Goslarer da kommst du als Zugereiste überhaupt nicht rein. Das war bei uns zu Hause genauso. Oder was ich hier auch schon oft beobachtet habe: Der Sohn vom Rechtsanwalt übernimmt die Praxis, die Tochter vom Arzt übernimmt die Praxis – das ist Standard – da und hier.“

In Goslar fühlt sich Jutta jedenfalls sehr wohl: „Die Stadt ist mein Zuhause geworden. Auch durch die Freunde, die hier sind. Ich käme nie auf die Idee zu sagen, jetzt arbeite ich nicht mehr hier, dann ziehe ich aus Goslar weg. Die Stadt ist einfach von der Größe her und was sie alles bietet, von der Architektur, Kultur, Natur etc. für mich optimal.“

Jutta wird im Sommer zum Ende des Schuljahres ihren Ruhestand antreten, fast drei Jahre hätte sie schon mit Arbeiten aufhören können, aber ihr Herz hängt an der Realschule Goldene Aue. Sie wollte gern weiter machen und hat die zusätzliche Zeit auch genehmigt bekommen. Ja, das Schulamt muss in diesem Fall die Verlängerung genehmigen, das wusste ich auch noch nicht. Über das Wort Ruhestand lacht Jutta jedenfalls eher, denn ruhig zu Hause auf der Couch Däumchen drehen, ist so gar nicht ihr Ding. Die Bürgerstiftung Goslar hat Jutta bereits angefragt, Vorstandsmitglied zu werden, da zwei Mitglieder diesen verlassen, erzählt sie mir. „Das ist dann schon so zwei, dreimal in der Woche - drei, vier Stunden Ehrenamt.“ Außerdem hat sie auch noch ein zweijähriges Enkelkind in Leipzig, die Stiftung Maria in Horto, den Kirchenvorstand, sie singt seit fast 30 Jahren in der Kantorei und hat zahlreiche andere Hobbys, auf die wir noch genauer zu sprechen kommen.

Mich interessiert aber erstmal, was für Schulfächer Jutta eigentlich studiert hat und wie sie zu dieser Wahl gekommen ist. Sie beginnt zu erzählen, und mir fällt zum ersten Mal ihr leichter, norddeutscher Platt-Dialekt auf – so angenehm. Aber zurück zum Anfang ihres Studiums: sie wollte nämlich eigentlich Sport und Mathematik studieren. Mit einer Freundin war sie nach dem Abi auf Reisen und beide kamen erst kurz vor Semesterbeginn in Münster an. Da erfuhr Jutta, dass sie die Aufnahmeprüfung für das Studienfach Sport schon verpasst hatte. „Meine Freundin hatte von vornherein Deutsch und Erdkunde gewählt. Ich bin mit ihr in eine Erdkundevorlesung gegangen und da war ein ganz fetziger Professor, der hat so eine mitreißende Vorlesung gehalten, dass ich dachte wow – das möchtest du auch. Also habe ich mich für Geografie eingeschrieben. Dann bin ich ein, zwei Monate in Mathematikvorlesungen gegangen, bis ich feststellte: das ist derartig hochgehängt, dass selbst ich mit meinem Einser-Abi nicht hinterher kam. Dann war ich wieder bei der Freundin in Deutschvorlesungen gucken und das war dann tatsächlich was für mich.“ So nahm der Zufall seinen Lauf. Zum Glück konnte Jutta auch das Bafög-Amt überzeugen, dass sie gerade noch in der Frist, ihr eines Fach gewechselt hatte.

Unterrichtet Jutta als Direktorin überhaupt noch die beiden Fächer, die sie einst studiert hat?

„Als Schulleitung kriegst du eine Menge Entlastungsstunden, das bemisst sich an der Anzahl an Klassen, also rechnerisch bleiben für mich 5,5 Stunden Unterrichtsverpflichtung über und ich mache das immer so, dass ich eine zeitlang zwei Deutschklassen unterrichte. Das mache ich als Vertretungsstunden für Lehrer*innen, die in der Elternzeit sind. Das sind dann acht Stunden, dann habe ich ein paar Plusstunden angesammelt und wenn die Lehrer*innen wieder kommen, baue ich diese Plusstunden wieder ab. So habe ich in der Regel immer ein oder zwei Deutschklassen und immer 9. oder 10. Klassen.“ Geografie unterrichtet sie allerdings schon lange nicht mehr, nicht wegen des Fachs an sich, sondern weil dieses meistens nur einstündig unterrichtet wird und es sich so mit dem Fach Deutsch besser ergeben habe.

„Schule ist schon immer ein großer Bereich in meinem Leben gewesen, auch als Lehrerin habe ich mich sehr reingehängt und mit meinen Klassen ganz viel gemacht.

Nach fünf Jahren packte es mich immer, dann wurde mir alles langweilig und ich habe neue Unterrichtsformen ausprobiert: Neue Gruppenarbeiten, Projektarbeiten oder ich bin am Wochenende mit meinen Klassen im Torfhaus gewesen - all so ein Blödsinn.“ Jutta betont auch, dass dies nur möglich war, weil sich ihr Mann schon immer viel mit um die Kinder gekümmert habe und sie sich auch in andere Aufgaben wie Wäschewaschen und Kochen gut reinteilen können. Vor der Stelle als Schulleiterin der Goldenen Aue war Jutta übrigens an der Realschule in Vienenburg Konrektorin.

Auf die Arbeit ihrer Kolleginnen in der Goldenen Aue und sich selbst ist sie stolz: „Die Schule hat einen guten Ruf, hat sich viel weiter entwickelt. Wir haben ein super tolles engagiertes Kollegium und wir sind auch was Digitalisierung und Modernität angeht weit vorne - obwohl wir dieses uralte Gebäude haben.“, lacht Jutta in mein Aufnahmegerät.

Da ich selbst am Ratsgymnasium eine Woche die Deutschstunden übernehmen durfte und so noch einmal gut feststellen konnte, was für ein herausfordernder Job das Lehramt ist, spreche ich Jutta stellvertretend meinen vollsten Respekt zu.

„Ich glaube für Lehrkräfte ist das mörderisch anstrengend, vor allem auch weil die Anforderungen so gewachsen sind. Wir sind heute über die Hälfte nicht mehr Wissensvermittler, wir sind ja Sozialarbeiter. Die Elternhäuser machen immer weniger, die Eltern werden auch immer fordernder. Die Kinder sind anders geworden, wir haben viel mehr verhaltensauffällige Schüler. Aber wirklich so eine Bandbreite. Von Kindern, die an ihre kognitive Grenzen stoßen bis zu Kindern, die versteckte Hochbegabte sind und dazwischen müssen wir unterrichten. Diese Vielzahl von zunehmenden Regelverletzungen, der Ist-mir-alles-egal Stimmung, bis hin zu sehr Ich-bezogenen Kindern, die meinen nur sie seien wichtig. Das ist natürlich nie eine ganze Klasse, aber es nimmt zu. Diejenigen, die so agieren, sind leider laut und nehmen Raum ein und da bleibt manchmal für die anderen zu wenig Raum.“ Juttas ehrliche Erfahrung und Einschätzung deckt sich leider teilweise auch mit meinen Erfahrungen als Workshopleiterin in Schulen.

An Aufgaben dran zu bleiben, sich Zeit für etwas nehmen, das falle den Kindern und Jugendlichen zusehends schwer. „Woran man das gut sehen kann, sind die Fächer Werken, textiles Gestalten und Kunst, das sind ja Fächer, wo man denken könnte, das ist mal was anderes für die Kinder. Da machen die was mit ihren Händen. Aber das dauert eine Zeit bis ein Werkstück aus Holz oder ein textiles Stück fertig ist - vielleicht vier, fünf Doppelstunden. Was glaubst du wie viele Stücke von den Kindern nicht abgegeben werden, weil sie entweder nicht fertig werden oder überhaupt nicht dabei bleiben können. Das ist dann langweilig. Einige haben dafür einfach kein Durchhaltevermögen. Das ist nicht bei allen so, aber dieser Trend nimmt einfach zu.“ , erklärt Jutta.

Interessant finde ich auch Juttas Berichte über die fast 30 zugezogenen Kinder und Jugendlichen aus der Ukraine, die in der Goldenen Aue zur Schule gehen. Jutta hat viel Verständnis für die Kinder, die teilweise Wochen nicht zur Schule kommen, weil sie wieder zu Besuch in der Ukraine sind. „Wenn ich mir vorstelle, ich bin in einem Land, wo ich kein Wort verstehe, dann muss ich sechs Stunden in irgendeiner Gruppe sitzen, erst bin ich schüchtern, dann vielleicht gelangweilt und irgendwann werde ich renitent, weil es nur noch ätzend langweilig ist.“ Für die Lehrkräfte sei das viele Fernbleiben vom Unterricht allerdings auch eine große Herausforderung und die deutsche Sprache lerne sich natürlich auch nicht von allein. Zum Glück erhält die Schule Unterstützung von einer Mutter, die gebürtige Ukrainerin ist und beim Übersetzen hilft. In vielen Klassen gebe es außerdem Kinder, die russisch, ukrainisch oder polnisch sprechen können und sich so auch mit den neuen Schüler*innen verständigen können.

Jutta hatte vor unserem Treffen die Fachkonferenz Deutsch und erzählt mir, dass die Handschrift der Schüler*innen und auch die Rechtschreibung „den Bach runter gehen“. Teilweise würden die Kinder nicht einmal wissen, wie sie ihren Stift richtig halten sollen. „Da haben wir auch überlegt, wohin geht der Trend, eher zu Textverarbeitungsprogrammen, Eintippen in Geräte. Im Moment bemühen wir uns noch die Handschrift zu üben, aber diese kann in einigen Jahren ganz abgelöst sein.“ Es gibt in den 5. und 6. Klassen nun auch Tabletklassen an der Goldenen Aue. Jutta war letztens zum Unterrichtsbesuch dabei und begeistert wie konzentriert die Kinder damit arbeiten. „Wenn die Kinder an diesem I-Pad sitzen, dann machen die wunderbar ihre Aufgaben und schmeißen Karten ans Whiteboard, spiegeln den Bildschirm. Da ist absolute Arbeitsruhe da. Obwohl es sonst eine klassische Unterrichtsstunde war. Dieses Medium lockt noch. Und das ist erstaunlich, was die Kleinen können. Die Lehrer*innen haben Blut und Wasser geschwitzt, den Kindern am Anfang beizubringen, das Gerät zu bedienen, aber was die jetzt alles können, das weiß ich auch nicht alles.“ Das Wissen der Kinder verändere sich eben und sie haben andere Fähigkeiten, als noch vor ein paar Jahren. Die Digitalisierung hinterlässt ihre Spuren.

Wir könnten sicherlich noch ewig über diese Schul- und Digitalisierungsthemen sprechen, aber wir verlassen Juttas Arbeitsfeld und widmen uns ihrer Wanderleidenschaft, von der sie mir gleich zu Beginn des Gesprächs erzählt. „Wir gehen ja seit 2007 jedes Jahr auf den Jakobsweg. Mein Mann, ein Freund und ich. Wir sind immer zu dritt unterwegs. Immer in den Herbstferien, weil meine Zeit durch die Schule begrenzt ist. Dann laufen wir ein Stück des Weges und im nächsten Jahr setzen wir da wieder an, wo wir aufgehört haben. Dadurch sind wir schon dreimal den ganzen Jakobsweg gelaufen.“ Angeregt von dem Hape Kerkeling Buch und den aufkommenden Hype um den Jakobsweg, beschäftigte sich auch Jutta mit dem bekanntesten Pilgerweg. „Dann hatte ich ein wenig gelesen und dieser Weg hat mich ziemlich fasziniert, nicht unbedingt aus religiösen Gründen. Ich hatte das Gefühl, der Weg zieht mich an.“ Zuerst reiste sie ein verlängertes Wochenende gen Süden, erkundete die Gegend. „Das hat mich so begeistert: die teilweise karge Landschaft, die aber total wechselt, es gibt einen ganz grünen, braunen Teil, dann ist es in Galicien wieder ganz grün. Auch die Herbergskultur hat mich inspiriert, du kochst zusammen, tauschst dich aus.“ In den ersten Jahren übernachteten sie in kirchlichen und städtischen Herbergen. „Wie es so oft beschreiben wird: ist die Herberge voll, heißt es Pech gehabt, du musst weiter laufen.“ Mittlerweile schlafen sie in privaten Unterkünften, die Jutta am Morgen über booking.com findet. „Ich bin die Reiseleiterin und gucke früh, bis wo wir am Tag ungefähr laufen werden.“

2021 sind sie den Inlandweg in Portugal gelaufen, 2022 wollten sie den Pilger-Küstenweg in Portugal gehen, aber da das Wetter so schlecht angesagt war, entschieden sie sich kurzerhand nach Faro zu fliegen und dort einen Küstenwanderweg zu gehen. „Landschaftlich ganz spektakulär.“, versichert Jutta. Sie möge auch die Spontanität dieser Wanderurlaube, so blieben sie in Faro zum Beispiel einfach einen Tag länger, weil ihnen die Stadt so gefiel. Am Jakobsweg fasziniert Jutta auch dessen Geschichte, denn teilweise befindet sich der Weg auf dem historischen fast 1000 Jahre alten Pilgerweg. „Da denke ich manchmal: an dieser Stelle sind auch die Mönche langgelaufen. Und das nimmt einen gefangen, muss man wirklich sagen.“

Ihre Wanderfreude hat mit dem Pilgerweg damals 2007 angefangen. Als Vorbereitung auf die etwa 20 Kilometer langen Tagestouren waren sie im Harz unterwegs. „Ich dachte das schaffst du ja nie. Aber dann sind wir einmal um die Granetalsperre rum, 13 Kilometer. Oder zweimal den Liebesbankweg, das sind dann 14 Kilometer. So sind wir da ein wenig reingekommen und haben unsere Wanderleidenschaft entdeckt.“ Fast jeden Sonntag wanderten sie so durch den Harz und manchmal stand Jutta vor einer Kulisse und dachte: „Boar, ist das schön, brauchst du gar nicht in den Urlaub fahren.“ Außerdem erzählt Jutta von der seelischen Befreiung durchs Wandern.

„Wenn du wirklich für dich alleine gehst, ist dein Kopf spätestens am zweiten, dritten Tag leer.

Alles was du so an Sorgen und Problemen mitgebracht hast, ist weg. Du läufst, denkst darüber nach, ob du ein Bett kriegst und was zu essen. An bedeutende Sachen denkst du gar nicht mehr.“

Diese Herbstferien-Pilgerurlaube sind aber nicht die einzigen Wanderungen von Jutta und ihrem Mann.

Über Himmelfahrt sind sie seit vielen Jahren mit Dorothee und deren Mann Hartmut unterwegs. Ihre erste Tour war der Harzer Klosterwanderweg. Sie laufen jedes Jahr vier Tage am Stück und wenn der jeweilige Wanderweg noch nicht geschafft ist, wandern sie ihn im nächsten Jahr weiter.

Diese Touren sind auch etwas religiös geprägt. So lese Doro zum Beispiel an einem besonderen Ort auf der Tour die Jahreslosung und alle interpretieren diese. „Das ist auch immer toll.“

Einmal sind sie auch den Weg Loccum-Volkenroda gegangen. „Volkenroda ist in Thüringen und Loccum bei Hannover und dieser Weg hat den Hintergrund, dass sich Mönche aus Volkenroda nach Loccum auf den Weg gemacht haben, um dort ein Kloster zu gründen. Und auf diesem Weg, haben wir manches Mal in Klöstern oder Damenstiften übernachtet, einmal auch in Fischbeck. Da haben Doro und ich manchmal dagestanden und gesagt, so ein Damenstift ist eigentlich nicht ganz blöd. Die nehmen ja verwitwete oder alleinstehende Damen auf, die über ein Einkommen verfügen müssen und die kriegen dort eine kleine Wohnung und müssen Aufgaben in dem Kloster übernehmen wie den Klostergarten pflegen, Führungen machen. So ein Leben in der Gemeinschaft könnte ich mir auch vorstellen, aber richtig Nonne sein nicht.“, erzählt mir Jutta auf die Frage, ob sie mal überlegt habe Nonne zu werden.

Bei einer anderen Himmelfahrtstour haben sie als Pilgergruppe im Kloster Amelungsborn das Leben der Mönche direkt mitbekommen. So wohnten sie wie diese in kleinen Zimmern, gingen mit ihnen zur Abendmesse und aßen auch mit den Teilzeitmönchen, die sich einmal im Monat aus ganz Deutschland treffen und klösterlich zusammen leben. „Beim Essen haben wir hinterm Stuhl gestanden, bis der Prior sich gesetzt hat. Und Bums auf einmal flogen alle Bestecke weg, weil der Prior fertig gegessen hatte. Ja, so haben wir ein bisschen Klosterleben mitbekommen. Das war sehr interessant.“ Am nächsten Morgen bekamen sie dann noch den Reisesegen mit auf den Weg.

Wir kommen nun auch noch auf Juttas Glauben zu sprechen. „Ich bin nicht so ein tiefgläubiger Mensch. Ich sehe Kirche eher als sozialen Lebensraum, als Anlaufstelle für die, die alleine sind, die einen Seelsorger brauchen. Sowas finde ich wichtig und auch die Schönheit von Kirchenmusik zu erleben, bedeutet mir viel.“ Als Mitglied im Kirchenvorstand der Neuwerkkirche ist sie auch öfters beim Lektordienst während des Gottesdienstes dabei, liest die Lesung des Tages aus dem Evangelium oder dem Alten Testament oder die Abdankung. „Ich mache das für die Leute, die da hinkommen und für die das so wahnsinnig wichtig ist, am Sonntag in die Kirche zu gehen. Die das Gefühl haben, da aufgehoben zu sein.“

Zur Stiftung Maria in Horto kam sie übrigens durch Dorothee, die sie fragte, Mitglied zu werden. Die Arbeit der Stiftung kannte sie schon, da Pfarrer Werner Böse über ihnen im Haus wohnte und sich viel mit ihrem Mann unterhalten hatte. „Ich finde die Idee, die wir entwickelt haben mit der Wortwerkerin großartig und es macht auch Spaß mit den ganzen Leuten. Ich freue mich richtig auf die Termine einmal im Monat, das ist immer sehr anregend.“

Was treibt Jutta sonst noch so in ihrer Freizeit will ich wissen. Sie liest gerne Krimis, meist in Episoden wie vor zwei Jahren, da waren die provenzialischen Krimis an der Reihe. „Das hatte mich dann so begeistert, auch durch die Naturbeschreibungen, dass ich eine Reise durch die Provence geplant hatte, aber dann wurde Corona ausgerufen.“ Sebastian Fitzek lese sie auch gern, die Harzer Krimis, von denen sie auch schon einige gelesen hat und sich über die bekannten Orte freut, verschenkt sie auch viel, erfahre ich noch. „Dann habe ich eine zeitlang alles von Juli Zeh gelesen. Wobei ich da nicht alle gut fand. „Unter Leuten“, wo es um das Leben in einem brandenburgischen Dorf geht, fand ich total Klasse. Aber durch „Spieltrieb“ habe ich mich durchgequält und das wird sogar als Schullektüre empfohlen. Das war so langatmig, wenn diesen Wälzer meine Schüler schon sehen, würden die schon gar nicht anfangen zu lesen.“, meint sie mit lachendem Gesicht.

Jutta spielt übrigens auch schon lange Tennis im Hahnendorfer Tennisclub, bis 2021 auch Punktspiele, aber darauf habe sie nicht mehr solche Lust.

„Mein großes Hobby ist Socken stricken. Ich sage immer ich höre Fern, weil ich dabei immer Socken stricke. Ich habe früher auch große Sachen gestrickt, Pullover und sowas, aber das war mir dann irgendwann zu umständlich.

Und dann bin ich auf die Socke gekommen.

Kann man gut mitnehmen und beim Autobahnstau kommt dann die Sockenwolle raus.“

Kochen tut Jutta übrigens auch gern und mit dem Blick auf die Uhr erzählt sie mir noch, dass sie ihrem Mann für heute Frikadellen versprochen hat und so langsam nach Hause müsse.

Ich habe auch schon viel über sie erfahren, finde ich und erfreue mich an Juttas Schlusswort, was sie noch loswerden möchte und gut zu ihrem Wesen und dem heiteren Gespräch passt.

„Was ich wichtig finde, ist Humor. Man muss mit einer fröhlichen Seele durchs Leben gehen, positiv in die Welt gucken, Dinge leicht nehmen. Ein fröhliches Herz macht Vieles leichter.“

Und so verlassen wir das Schiefer, schauen noch kurz von den Stufen dem Treiben des Weihnachtsmarktes zu und verabschieden uns.